Portraits & Interviews

Interview mit Hilde van Schaardenburg, Textilkünstlerin

Ich habe die Textilkünstlerin Hilde van Schaardenburg um ein Interview gebeten, nachdem ich Fotos ihrer Arbeiten gesehen habe, die Sabine Weninger-Dietrich aus Luxemburg mitgebracht hatte.

Wo sind Sie aufgewachsen und wo leben Sie heute?

Vor 70 Jahren wurde ich in Stuttgart in eine künstlerische Familie geboren.

Das Künstlerische sowie das Bewusstsein der großen Lebensfragen in breitestem Sinne über das woher komme ich, warum bin ich hier auf der Erde und wohin führt mein Weg wurde auch gefördert in meiner Schulzeit in der Freien Waldorfschule Uhlandshöhe in Stuttgart. Das Schulprogramm besagt: „Das Wecken der Sinne für den Weg in die Welt, vom Erleben zum Verstehen und dem Arbeiten mit den Gesetzen der Welt und dann die großen Themen für einen jungen Menschen: Weltblick, Rückblick, Einblick und Überblick“.

Mit 19 Jahren begann meine Ausbildung als Krankenschwester und bis zu meinem 29. Lebensjahr war ich tätig auf einer chirurgischen Intensiv-Station, auch in leitender Funktion.

1983 war die Hochzeit mit meinem niederländischen Mann Dirkjan und es erfolgte mein Umzug in die Niederlande. Ein herrliches Land, hier leben wir in der Medienstadt Hilversum und erfreuen uns an unseren 2 Kindern und 5 Enkelkindern.

Wann sind Sie erstmals mit textilen Arbeiten in Berührung gekommen?

 Die Liebe des Nähens und Stickens wurde mir bereits in die Wiege gelegt. Meine Großmutter war Kunststickerin in einem Nähatelier in Berlin. Ich bekam von ihr schon mit 13 Jahren meine erste eigene Nähmaschine.

Meine Mutter war Künstlerin und Malerin. Sie hatte einen völlig neuen und eigenen Stil entwickelt, sie nannte es Stufenmalerei. Die Geometrie, das Wesen aller Dinge, im Kleinen wie auch im Großen war die Basis all ihrer Werke.

Auch die Musik und die Bühne spielten in unserer Familie eine große Rolle. Manch ein Familienmitglied hat es weit gebracht in der Musikszene und Theaterwelt.

Haben Sie eine textile Ausbildung?

 Nein. 2002 habe ich das Patchwork und Quilten entdeckt.  Danach habe ich viele Kurse besucht, die mir die verschiedensten Techniken nähergebracht haben.

Was reizt Sie an Textilkunst als Kunstform?

Für mich wurde die Arbeit mit Textil, Nadel & Faden zu einer großen Liebesgeschichte. Es wird mir ganz warm ums Herz, wenn ich das hier so ausspreche.

Im Laufe meines Lebens habe ich mit vielen verschiedenen Materialen und Techniken gearbeitet, dadurch ist mir beinahe nichts fremd. Aber wenn ich mit Stoffen arbeite, werde und bin ich einfach nur glücklich.

Welches ist Ihr bevorzugtes Material und wie verarbeiten Sie es am liebsten?

Gefärbte Baumwolle und Seide: nähen, patchen, quilten, applizieren, bemalen, färben, bedrucken, besticken…

Welche textilen Techniken nutzen Sie?

Nähen mit der Nähmaschine, Quilten mit der Longarm Maschine, Zeichnen und Malen auf Stoff.

Wie würden Sie Ihre Arbeit beschreiben?

Die Kunst hat mich schon immer auf meinem Lebensweg begleitet. Ein ständiger Strom von Ideen sucht und drängt bei mir stets nach einem sichtbaren Ausdruck.

Meine Arbeit will ein Ausdruck von Lebensfreude sein. Freude und Inspiration, die von den unzähligen Formen und Farben der Natur kommen.

Die Erde ist ein herrlicher Ort, worauf Entwicklung stattfindet. Alles was darauf lebt und gedeiht, seien es Menschen, Tiere, Pflanzen und Gesteine, sind eingebettet in einem unermesslich großen Kreislauf des Universums. Alles beruht auf Gesetzmäßigkeit, Strömung und Bewegung… und dies alles inspiriert mich und dies möchte ich in meinen textilen Arbeiten sichtbar werden lassen.

Wie kreieren Sie ein Stück? Können Sie Ihren Weg zum fertigen Kunstwerk beschreiben?

Durch intensives Schauen in gefärbte Stoffe kann man die verschiedensten Motive entdecken, wie Formen und Strukturen aus der Natur oder auch Mensch- und Tierformen.

Durch freies Quilten mit der Nähmaschine sowie auch mit der Longarm Maschine mache ich zunächst das sichtbar, was ich in den Stoffen entdecke und sehe. Schon allein dadurch werden immer Unikate entstehen.

Ein folgender Schritt in diesem kreativen Prozess ist die Anwendung unter anderem von Textilfarben, Organza, Tüll, Perlen, Kristallen und Metallen, um eine persönliche künstlerische Arbeit entstehen zu lassen.

Bei meiner Arbeit ist Zeit, Geduld und Ausdauer die Basis von Allem.

Ich baue immer stufenweise auf.

Das Gedicht STUFEN von Hermann Hesse (1877-1962) drückt es ganz wunderbar und treffend aus:

Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.

Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf‘ um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.

Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegen senden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden…
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!

Sie unterrichten viel, unter anderem als Coach für die Erweckung künstlerischer Talente? Wie kann ich mir das vorstellen?

Ich unterrichte nicht oft. Aber auf Anfrage gebe ich gerne an einzelne Personen oder auch an kleine Gruppen meinen Kurs „Ich sehe was, was du nicht siehst“ und meinen Einführungskurs in „Jurying & Judging Quilts“.

Nachdem ich 2013 die zweijährige Ausbildung als Quilt Jurorin bei der Quilters‘ Guild of the British Isles erfolgreich abgeschlossen hatte, wurde mir bewusst, dass es drei Gebiete gibt, worin ich mich ausdrücken und betätigen kann:

Als Quilterin und Textil Künstlerin arbeite ich inspiriert, stelle aus und nehme an Wettbewerben teil.

Als Quilt-Jurorin beurteile ich professionell und objektiv die Werke anderer.

Die Ausbildung als Quilt-Jurorin war eine der größten Herausforderungen in meinem Leben. Ich musste alles, was mit der Arbeit mit Textil praktisch und theoretisch zu tun hat, erforschen und ausarbeiten. So kann ich mich nun auf diesem Gebiet bewegen wie ein Fisch im Wasser.

Dadurch kann ich ein Coach sein für diejenigen, die auf der Suche sind nach persönlicher künstlerischer Entwicklung. Ich sehe mich dann wie ein Fußball-Coach, der seine Spieler trainiert, so dass sie fähig sind, den Ball ins Tor zu bringen.

Sie sind auch ausgebildete Quilt-Jurorin. Wie gehen Sie an die Jurierung eines Quilts heran?

Folgende Kriterien sind die Voraussetzungen, die von einer Jurorin erfüllt werden müssen, um Quilts und künstlerische Arbeiten beurteilen und bewerten zu können:

Integrität, Sorgfalt, effizientes und zielorientiertes Arbeiten und unparteiisch sein.

Kenntnis haben über die internationale Quilt Welt sowie neue Erkenntnisse, Errungenschaften und Trends. Auch die große Kunst-Szene in der Welt im Auge behalten durch Museen und Ausstellungen besuchen, Bücher und Artikel über Kunst lesen. Und von großer Bedeutung ist, dass man sieht, ob das zu beurteilende Werk ein Original, eine Nachahmung oder eine Kopie ist. Das Erkennen von einem Plagiat ist von großer Bedeutung, weil es Diebstahl geistigen Eigentums von anderen ist.

Als Quilt-Jurorin möchte ich anspornen und ermutigen. Dies ist für mich wichtig und liegt mir sehr am Herzen. Voraussetzung dafür ist Empathie haben für den Menschen und seine Arbeit. Meine Beurteilung und Bewertung möchte ein Beitrag sein. Dies ist ein Geschenk, welches eine Quilt-Jurorin Anderen geben kann.

Wo kann man Ihre Werke in Deutschland als nächstes sehen?

In der kommenden Zeit gibt es keine Ausstellungen meiner Arbeiten im Deutschsprachigen Raum.

Hilde van Schaardenburg
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hildevanschaardenburg.nl